FREIRAUM TEIL 2: Der Leerstand in mir... (Jan Philip Scheibe in Lemgo)


DER LEERSTAND IN MIR WIRD AUCH VON DIR NICHT GEFÜLLT
Performance und Installationsreihe von Jan Philip Scheibe
in seiner Geburtsstadt Lemgo/Lippe

Bis zu seinem 21. Lebensjahr wohnte der Licht und Performancekünstler in Lemgo.
Viele seiner Performances und Installationen haben seinen gedanklichen Ausgang in der alten Hansestadt.

Im Rahmen des Projektes „FREIRAUM LEERSTAND 2018“ kommt der Künstler nun im Juli 2018 für einen Monat zurück .
Er macht sich auf die Suche nach seiner eigenen latenten Geschichte die oft einen direkten Ortsbezug innerhalb und außerhalb der Stadt hat und bringt diese in Verbindung mit seiner bald 20jährigen Erfahrung als Künstler und dem Istzustand der Stadt.
Dabei wird  anhand von Performances und  temporären Installation nach und nach der gesamte Stadtraum bespielt und besetzt, oftmals mit Licht.
Für jeweils zwei Wochen werden befreundete Künstler, die Jan Philip Scheibe während seiner Aufenthalte und Projekte im In- und Ausland kennengelernt hat eingeladen um die Stadt aus einer neuen Perspektive zu sehen und auf sie künstlerisch zu reagieren.
Die Künstler wohnen in dem momentan leerstehenden Elternhaus des Künstlers. Das Haus wird so zum Herz und Ankerpunkt des Projekts. 


Das Haus am Ende der Straße, am Ende der Stadt steht leer. Die gossen Fensterfronten blicken leer auf die im Tal liegende Stadt. Niemand liegt, hört im Schlafe das Rauschen der nahen Buchenwälder. Niemand rutscht auf Socken die steile Holztreppe herunter. Niemand baut, niemand Denkt, niemand lacht, niemand schreit, niemand friert.
Das Elternhaus des Künstlers steht leer. Die Wege zwischen den Feldern, dem Neubaugebiet, durch den Wald, auf den Berg, zu dem Fluss zwischen den Wiesen werden nicht von ihm begangen. Dabei nahm alles seinen Ausgang hier. Die Sehnsucht, das Verständnis, die Erkenntnis.  Nach Landschaft,  nach Jahreszeiten, nach Menschen, nach Festen, nach Kunst. 
Ein paarmal im Jahr kommt der Künstler um sich um Auffahrt und Garten zu kümmern. Gräser und Löwenzahn aus den Fugen zu entfernen, die Bäume und Sträucher zu den Nachbargrundstücken zu beschneiden. Die Regenrinnen sauberzumachen.
Einzig die große Garage hat noch Funktion; sie dient als Zwischenlager des Künstlers.
Ansonsten steht das Elternhaus des Künstlers leer.






Im Sommer 2018 zieht der Künstler wieder ein. Für vier Wochen spürt er seinen Ausgängen nach. Er erzählt von offensichtlichen und latenten Geschichten, beobachtet die Wechselwirkungen zum Jetzt. Spürt persönlichen Brüchen nach und beobachtet die Differenzen der Stadt. Kommentiert die Beobachtungen durch Kunst. Dabei kommt es zu einer retrospektiven Vorgehensweise ebenso wie zur Entwicklung neuer Arbeiten.
Vielleicht besuchen ihn Künstlerfreunde. Reagieren unvermittelt auf Haus, die Landschaft und die Stadt.

Die künstlerische Arbeit von Jan Philip Scheibe wird im wesentlichen geprägt von Installationen und Performances im öffentlichen, urbanen Raum und in der freien Landschaft - oft verbunden mit Licht. Seine Interventionen an ausgewählten Orten, mit außergewöhnlichen Materialien und Methoden, machen Verborgenes sichtbar. Sie kreieren real und gedanklich neue, bislang ungesehene Räume. Verbale Kommentierungen von Orten und Objekten, Konfrontationen vordergründig nicht zusammengehöriger Dinge oder die Beleuchtung von alltäglichen Gegenstände spiegeln ein breites Spektrum seiner künstlerischen Kreativität, phantasievoll, ernsthaft und selten ohne Ironie.
Seine Arbeiten und Performances wurden an zahlreichen Orten in Deutschland und im Ausland präsentiert, u.a. im MARTa Herford, der Kunsthalle Recklinghausen, auf der Skulpturbiennale Münsterland, der Lichtpromenade Lippstadt und im Skulpturenpark Köln.
2006 erhielt er das Niedersächsische Landesstipendium für bildende Kunst in den Künstlerhäusern Worpswede und wurde seitdem mit zahlreichen weiteren Stipendien im In und Ausland ausgezeichnet. 

Am Freitag, den 20. Juli wurde Scheibes Performance "shouldered streetlight", die bereits nahezu die ganze Welt gesehen hat, in Lemgo an ihrem Ausgangspunkt aufgeführt.Ein Mann, gekleidet in einen schwarzen Anzug trägt auf der Schulter eine Straßenlaterne, in der anderen Hand trägt er einen 800 Watt Stromgenerator. Der Stromgenerator betreibt die Straßenlaterne. Wenn die Last zu schwer wird bleibt der Mann stehen, richtet die Straßenlaterne auf und verweilt ein wenig. Seine Reise trägt ihn seit 2011 stetig weiter. Von Hamburg durch den Ostseeraum, auf die Bergmaninsel Fårö, nach Schwedisch-Lappland, über Südfinnland ins nordschwedische Fjällgebiet. Wo immer der Mann mit der Straßenlaterne geht da verortet er sich. Die begangenen Orte werden zur temporären Künstlerheimat. Nur in Lemgo jedoch beginnt der Rundgang mit der mobilen Laterne dort, wo sie entstanden ist: Als Kind durfte der Künstler abends noch zum Spielen hinaus, aber nach der Regel seiner Mutter nur bis zur Straßenlaterne, nicht weiter! Bestimmt hat er sich oft gewünscht, die Straßenlaterne nehmen und ein Stück versetzen zu können. Diesen Wunsch realisiert sein "shouldered streetlight" und in Lemgo, wo die Performance an der "Ursprungslaterne" beginnt, wird diese Wechselwirkung von Heimat und Fernweh in einer besonderen Stimmung spürbar. Es ist die Freiheit, die Laterne nehmen und dorthin gehen zu können, wohin die Neugier treibt, aber dennoch trägt der Künstler schwer an der Laterne, sie ist sein Kreuz, das es zu tragen gilt. So liefert die Performance in Lemgo mehr als nur schöne und eindrucksvolle Bilder. Sie ist auch eine sehr persönliche  Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte.   
Mehr dazu auf der Website des Künstlers oder in der Lippischen Landeszeitung.

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